Die Coro­n­a­pan­demie hat schließlich beson­ders im Arbeit­srecht viele neue Fra­gen und Prob­lem­felder aufge­wor­fen. Die Gefahr ein­er SARS-CoV-2-Infek­tion ist, auch und ger­ade im Hin­blick auf die Muta­tio­nen, immer wahrschein­lich­er und bringt sowohl für Arbeit­nehmende als auch Arbeit­gebende viele Risiken und Unsicher­heit­en bezüglich der aktuellen Recht­slage mit sich. Ist eine coro­n­abe­d­ingte Kündi­gung wirk­sam? Welche Fol­gen hat eine Erkrankung, gegebe­nen­falls auch mit Spät­fol­gen (bspw. sog. „Long COVID“), für das beru­fliche Umfeld?

Eine Kündi­gung „wegen Coro­na“ gibt es nicht expliz­it. In Betra­cht kommt lediglich eine betrieb­s­be­d­ingte Kündi­gung, die sämtliche geset­zlichen Voraus­set­zun­gen erfüllen muss. Drin­gende betriebliche Erfordernisse (Auf­tragsrück­gang, Störung von Liefer­ket­ten, dauer­hafter Weg­fall von Arbeit­splätzen etc.) müssen dargelegt und gegebe­nen­falls auch bewiesen wer­den. Außer­dem muss die Kündi­gung in jed­er Hin­sicht ver­hält­nis­mäßig sein.

Für die Recht­mäßigkeit ein­er ordentlichen betrieb­s­be­d­ingten Kündi­gung gilt außer­dem, dass sie sozial gerecht­fer­tigt sein muss, sofern der Arbeit­nehmende unter das Kündi­gungss­chutzge­setz fällt (Arbeitsver­hält­nis zum Zeit­punkt der Kündi­gung länger als sechs Monate, § 1 Abs. 1 KSchG und Betrieb mit mehr als zehn Mitar­beit­ern, § 23 Abs. 1 KSchG). Das heißt, es bedarf sach­lich­er Gründe. Die aktuelle Pan­demielage ist nicht automa­tisch ein solch­er Grund. Ger­ade wenn mehrere Arbeit­splätze auf­grund ein­er Unternehmensentschei­dung infolge eines dauer­haften Weg­falls von Arbeits­be­darf gestrichen wer­den sollen und es mehrere „Kan­di­dat­en“ im sel­ben Tätigkeits­feld für eine Kündi­gung gibt, müssen Arbeit­gebende eine fehler­freie Sozialauswahl tre­f­fen. Daher lohnt es sich in einem solchen Fall, die Kündi­gung rechtlich über­prüfen zu lassen.

Eine coro­n­abe­d­ingte Kündi­gung kann ins­beson­dere dann unzuläs­sig sein, wenn der Arbeit­gebende für Arbeit­nehmende im sel­ben Tätigkeits­bere­ich kurz zuvor Kurzarbeit beantragt hat (LAG ‑Urteil vom 05.05.2021, 5 Sa 938/20). Dies spricht in der Regel dage­gen, dass der Arbeit­gebende bei Ausspruch der Kündi­gung von einem dauer­haften Weg­fall des Beschäf­ti­gungs­be­darfs aus­ge­gan­gen ist.

Vor­sicht ist grund­sät­zlich geboten, wenn der Arbeit­gebende pan­demiebe­d­ingt nicht voll aus­ge­lastet sein sollte und es zu Eng­pässen kommt, auch wenn keine Kündi­gung im Raum ste­ht. Arbeit­gebende sind verpflichtet ihre Arbeit­nehmenden zu beschäfti­gen. Grund­sät­zlich kön­nen Arbeit­nehmende daher nicht gegen ihren Willen beurlaubt wer­den und auch Arbeit­szeitkon­ten dür­fen nicht ein­seit­ig mit Minusstun­den belastet wer­den. Die Nutzung von Arbeit­szeitkon­ten zur Über­brück­ung von Auf­tragss­chwankun­gen kön­nen jedoch tar­ifver­traglich oder arbeitsver­traglich geregelt wer­den. Grund­sät­zlich gilt auch hier, dass mit ein­vernehm­lichen Lösun­gen bei­de Parteien langfristig am besten berat­en sind.

Eine Infek­tion bzw. eine Erkrankung kann, je nach Berufs­feld, als Arbeit­sun­fall bzw. als Beruf­skrankheit eingestuft wer­den. Dies ist ins­beson­dere dann der Fall, wenn ein erhöht­es Infek­tion­srisiko beste­ht, so im Gesund­heits­di­enst, der Wohlfahrt­spflege oder der Tätigkeit in einem Laboratorium.

Coro­na-Recht­sprechung BAG:

BAG — Urt. v. 30.11.2021, Az. 9 AZR 225/21

Arbeit­gebende dür­fen bei vere­in­barter Kurzarbeit Null und dem damit ver­bun­de­nen Arbeit­saus­fall den Urlaub kürzen. Das BAG nimmt in sein­er Entschei­dung Bezug auf neuere Recht­sprechung des EuGH: Ziel sei es, dem Arbeit­nehmenden Erhol­ung zu ermöglichen und dies sei nur notwendig, wenn der Arbeit­nehmende auch arbeite. Kommt es zu einem Arbeit­saus­fall in Folge von Kurzarbeit Null, kann auch eine Neu­berech­nung der Urlaub­stage in Mit­ten eines Kalen­der­jahres erfolgen.

BAG — Urt. v. 13.10.2021 AZ 5 AZR 211/21

Ein häu­fig zitiert­er Grund­satz im Arbeit­srecht lautet: Der Arbeit­gebende trägt das Betrieb­srisiko, da er auch den Gewinn ein­be­hält. Erfol­gt jedoch pan­demiebe­d­ingt eine Geschäftss­chließung auf­grund behördlich­er Anord­nung, liegt laut neuester Recht­sprechung des BAG das Geschäft­srisiko nicht beim Arbeit­geben­den und der Lohnanspruch ent­fällt. Ein staatlich ver­fügter Lock­down betr­e­ffe als Eindäm­mungs­maß­nahme nicht einzelne Betriebe, son­dern die ganze Gesellschaft.