Eine aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht schließt die Gewährung des Pflegefreibetrags in Erbschaftsteuerrecht nicht aus. BFH, Urteil vom 10.05. 2017 – II R 37/15 Im zugrunde liegenden Fall war die Klägerin Miterbin ihrer im August 2012 verstorbenen Mutter. Zum Nachlass gehörte unter anderem ein Bankguthaben in Höhe von 785.543,00 €. Die Klägerin hatte ihre pflegebedürftige Mutter im Herbst 2001 in ihr Eigenheim aufgenommen und sie dort auf eigene Kosten gepflegt. Ab November 2001 hatte die Pflegekasse der Mutter Pflegegeld nach der Pflegestufe III zunächst in Höhe von monatlich 665,00 € und zuletzt 700,00 € gewährt. Das Finanzamt als Beklagte setzte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 10.10.2013 Erbschaftsteuer in Höhe von 4.865,00 € fest. Die Klägerin legte Einspruch ein und begehrte die Berücksichtigung eines Freibetrages von 20.000,00 € gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Das Finanzamt wies jedoch den Einspruch der Klägerin zurück. Gegen diesen Bescheid erhob die Erbin Klage vor dem Niedersächsischen Finanzgericht. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Dies begründete das Finanzgericht damit, dass entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung der Gewährung des Freibetrags nicht die Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrer Mutter entgegenstehe. Denn aufgrund des umfangreichen Vermögens der Mutter sei die Klägerin dieser gegenüber nicht zum Unterhalt verpflichtet gewesen. Der Beklagte rügte mit seiner Revision eine Verletzung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Er beantragte, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen. Die Klägerin beantragte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Der Bundesfinanzhof bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts mit abweichender Begründung. Zusammenfassend stellte der Bundesfinanzhof die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme für den Betrag nach § 13 Absatz ein Erbschaftsteuergesetz wie folgt dar: 1. Die Pflege des Erblassers muss durch dessen Hilfsbedürftigkeit veranlasst gewesen sein. Nicht erforderlich ist allerdings, dass der Erblasser pflegebedürftig im Sinne des § 18 Abs. 1 SGB XI und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. M S. 1 SGB XI, alter Fassung zugeordnet war. Vielmehr gilt eine weite Auslegung des Begriffs „Pflegegewähren“. 2. Die Pflegeleistungen müssen regelmäßig und über eine längere Dauer erbracht worden sein. Sie müssen im allgemeinen Verkehr ein Geldwert haben. 3. Die Pflege muss unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgeltgewähr geleistet worden sein, also ohne Vergütung. 4. Das zugewendete muss ein angemessenes Entgelt für die gewährte Pflege anzusehen sein. Dies ist gegeben, soweit die Zuwendung den Betrag entspricht, den der Erblasser durch die Inanspruchnahme der Pflegeleistungen erspart hat. 5. Der Erwerber muss die Hilfsbedürftigkeit des Erblassers sowie Art, Dauer, Umfang und Wert der tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht haben. Er trägt dazu die Feststellungslast. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts kommt es hinsichtlich der Unentgeltlichkeit nach der Auffassung des BFH nicht darauf an, ob die Klägerin gegenüber der Erblasserin zum Unterhalt verpflichtet war. Denn der Verwandtenunterhalt nach §§ 1601 ff. BGB verpflichtet Kinder nicht zur Erbringung einer fast persönlichen Pflegeleistung gegenüber den Eltern, da der Unterhalt grundsätzlich in Form einer Geldrente zu erbringen ist (§ 1612 Abs. 1 S. 1 BGB). Zum anderen stünde auch die Pflicht zu Beistand und Rücksicht der Verwandten gegeneinander nach § 1600 a BGB der Gewährungspflegeflichtbeitrags nicht entgegen. Der Bundesfinanzhof hält eine weite Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nach Sinn und Zweck der Norm für geboten, denn schon ein freiwilliges Opfer der pflegenden Person honoriert und Pflegeleistungen außerhalb vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen begünstigt werden. Hinzu kommt, dass Pflegeleistung üblicherweise innerhalb der Familie erbracht werden, insbesondere zwischen Kindern und Eltern, so dass die Freibetragsregelung bei Ausschluss dieses Personenkreises nahezu ins Leere liefe. Nach der Auffassung des BGH gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber Pflegeleistungen von nahen Angehörigen bereits durch die hohen Freibeträge des § 16 Abs. 1 ErbStG als abgegolten ansieht. Nach der Begründung des Gesetzgebers ist dem Anliegen, eine missbräuchliche Ausnutzung der Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 Erbschaftsteuer durch Beantragung überhöhter Beiträge für oft nur bedingt nachprüfbare Pflegeleistung zu beschränken, bereits durch Begrenzung des Freibetrags aus 20.000,00 € Rechnung getragen. Die Höhe des anzusetzenden Freibetrags bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles, so der BFH. Zur Wertermittlung können die erbrachten Pflegeleistungen, die jeweils vergleichbaren üblichen Vergütungssätze entsprechender Berufsgruppen oder gemeinnütziger Verein herangezogen werden. Zu berücksichtigen sei die Leistung der Klägerin für einen Zeitraum von elf Jahren und das gezahlte Pflegegeld. Somit liegt der Wert erbrachten Pflegeleistungen jeweils deutlich über dem Freibetrag von 20.000,00 € Die Entscheidung des BFA ist von hoher Praxisrelevanz, da sie sowohl Erbfälle, als auch Schenkungen betrifft. Seitens der Finanzämter wurde der Freibetrag bislang verweigert, wenn der Erbe, bzw. Beschenkte dem Erblasser oder Schenker unterhaltspflichtig war entsprechendes ergibt sich aus der bislang angewandten Regelung in den Erbschaftsteuerrichtlinien (2011 R I 13.5 Abs. 1 S. 2)
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